Moin Kollegen,
eines Vorweg, dieses Thema kann von euch beliebig erweitert werden, so daß wir eine Sammlung zum Thema Betriebsabläufen in Kopfbahnhöfen gemeinsam erstellen können.
Ich beschäftige mich interessenbedingt überwiegend mit der Eisenbahnepoche I, die Betriebsabläufe waren damals anders als heutzutage und werden selbst bei Modellbahnanlagen mit diesem Thema sehr oft „falsch" dargestellt.
Kopfbahnhöfe:
Einfahrende Züge fahren mit der Lokomotive voran in den Kopfbahnhof ein und kommen vor dem Prellbock am Querbahnsteig zum Halten.
Damit ein Zug wieder aus dem Kopfbahnhof ausfahren kann, wird entweder eine Lokomotive am anderen Zugende angekoppelt oder es werden Triebzüge oder Zugverbände mit Steuerwagen eingesetzt.
Die im Kopfbahnhof verbliebende Lokomotive wird „Rückwärts" aus dem Kopfbahnhof hinausgefahren.
Man könnte meinen, das Thema wäre hiermit schon beendet?
Dem ist aber nicht so. Zwar waren auch Triebzüge und Zugverbände mit Steuerwagen und Zweirichtungsfahrzeuge schon in der ersten Eisenbahnepoche bekannt und wurden je nach Verwendungszweck auch entsprechend eingesetzt, jedoch bieten Kopfbahnhöfe weit aus mehr betriebsbedingte Abläufe als man sich im Allgemeinen vorstellt.
Ich bin zwar kein Betriebseisenbahner des Originals, beziehe aber mein Fachwissen aus entsprechenden Publikationen der Inginieurwissenschaften „Der Eisenbahnbau" von 1892. Darin werden auch Kopfbahnhöfe behandelt und die Vor- und Nachteile aufgearbeitet.
Im Gegensatz zur heutigen Zeit gab es damals noch Bahnpost, Expeß- und Kleingut und auch Gepäckversand der Bahn. Salon-, Speise-, Schlaf- und Liegewagen, mußten mit Bedarfsgütern versorgt werden. Je nach Zuggattung gab es bis zu vier unterschiedliche Wagenklassen. Je nach Traktionsart der Lokomotive gab es auch Unterschiede in der Wagenreihung, zu dem gab es in den meisten Bahnhöfen jener Zeit spezielle Gleise für die Ankunft von Zügen und für die Abfahrt, der im Bahnhof endenden Züge.
Die Bahnsteigsperren, sollten verhindern, daß Reisende unbefugt den Bahnsteig betreten, wenn Betriebs- und Rangierfahrten stattfanden. Reisende dürften erst bei stillstehendem Zug den Bahnsteig betreten und Begleitpersonen und Reisende mußten den Bahnsteig wieder räumen bevor sich ein dort stehender Zug, in Bewegung setzte.
Alle diese Umstände werden noch komplizierter, wenn man das Umsetzen der Züge von der Ankunftseite zur Abfahrtseite betrachtet. Auch die vor dem Prellbock stehende Lokomotive muß ins BW verbracht werden, bei einem noch dahinter befindlichem Zug, fangen schon die ersten Probleme an, wie man nämlich die Lok ohne den Zug umsetzen zu müssen, aus dem Bahnhof hinausbefördern kann und ohne andere Reisende zu gefährden, also deren Laufweg zu kreuzen.
In der frühesten Bauform der Kopfbahnhöfe, wurden Lokomotiv- und Wagendrehscheiben eingesetzt, wobei sich am Gleisende vor dem Prellbock die mittelgroßen Lokomotivdrehscheiben durchsetzten, auf denen nur die Lok ohne den Schlepptender gedreht werden konnte. Um den schweren Tender drehen zu können setzte man Spillanlagen mit Seilzügen ein, so daß die Lok ihren Tender auf die Drehscheibe ziehen konnte.
Das Umsetzungsgleis für Lokomotiven befand sich früher parallel zum Querbahnsteig und verlief im Winkel von 90° zu den Bahnsteiggleisen. Alle vom Querbahnsteig abgehende „Gepäck-" und Personenbahnsteige hatten dicht am Querbahnsteig einen niveaugleichen Bahnübergang, abgesichert durch die vor Ort befindliche Bahnsteigsperre mit Wärter.
Diese recht komplizierten Rangiermanöver durch zweimaliges Umsetzen der Lokomotive nebst Tender führte zu zwei recht gebräuchlichen Varianten, die teilweise heutzutage noch anzutreffen sind, vorwiegend auf kleineren Endbahnhöfen.
Variante 1 ein separates Umsetzgleis, welches auch vom benachbarten Gleis benutzt werden konnte.
Variante 2 kein separates Umsetzgleis, die Lok muß das freie Nachbargleis nutzen.
Vorteile beider Varianten sind, daß der Zugverband nicht erst „abgeräumt" werden muß und der eingefahrene Zug stehenbleiben kann.
Die hieraus entstehenden Nachteile sind gewaltig, so fallen die Gepäckbahnsteige weg und ein beachtlicher Teil des Bahnsteiges kann nicht voll genutzt werden. Lokführer, welche den Zug nich vor dem Grenzzeichen der Weiche oder vor der Weiche zum Anhalten bringen konnten, können keine Umfahrung des stehenden Zuges machen und müssen warten, bis der Zug abgeräumt wurde, dieses führt dann unter Umständen zu weiteren Verzögerungen im Betriebsablauf, wenn deren Maschinen, zeitlich an anderer Stelle eingeplant wurden und seitens der Lokleitung umdisponiert werden müssen.
Sind die Ziehgleise oder Ausziehgleise, wegen Platzmangel nicht lang genug, so müssen bei langen Zügen mehrere Rangierfahrten unternommen werden, die nach Möglichkeit nicht den regulären Betriebsablauf stören dürfen.
Fehlen bei Bahnsteighallen die Entlüftungsmöglichkeiten bei den Oberlichtern, dürfen Dampflokomotiven nur außerhalb der Bahnsteighallen stärker beschleunigen, um ein Vollqualmen der Bahnsteighallen auf ein erforderliches Mindestmaß zu beschränken, auch dürfen Feuer nicht unnötig geschürt und nur soviel Kohlen nachgelegt werden, um den Betriebsdruck zu erhalten. Je nach Bahnhofsordnung, dürfen Züge mit abfahrbereiten Zügen erst dann mit einer Lokomotive bespannt werden, wenn der Zeitpunkt der Abfahrt unmittelbar bevorsteht oder sich der Schornstein der Lokomotive sich außerhalb der Bahnsteighallen befindet. Bei kurzen Zügen kann auch dieser Umstand zu dem Nachteil führen, daß die Reisenden einen längeren Weg, vom Querbahnsteig zum Zug, zurücklegen müssen.
Bei der Wagenreihung sollte so darauf geachtet werden, daß Post- und Gepäckwagen sich nicht gegenseitig in die Quere kommen, Schlaf- und Liegewagen aber weit genug von der Lokomotive entfernt eingekuppelt waren und sich der Speisewagen möglichst in der Zugmittel befand. Wagen 1. Klasse und 2. Klasse sollten sich dicht beim Speisewagen befinden, Wagen der 3. Klasse hingen, können auch weiter davon entfernt sein. Wagen der 4. Klasse gab es nur in Eil- und Personenzügen, jedoch in denen wiederum keinen Wagen der 1. Klasse.
Militärzüge waren allen anderen Zugkategorien vorangestellt und mußten bevorzugt behandelt werden.