Mal eine andere Methode zum Güterwagenpatinieren




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Mal eine andere Methode zum Güterwagenpatinieren

Beitragvon HF110c » Do 8. Okt 2015, 20:51

Hallo liebe Leute,

vor einigen Jahren fand ich ein Video, welches aber mittlerweile aus urheberrechtlichen Gründen (GEMA und Musik) gesperrt ist. Gegenstand des Gezeigten war eine ziemlich einfache und effektive, aber auch im ersten Moment recht haarsträubend wirkende Methode zum Patinieren von Güterwagen. Nach einigen Jahren bastlerischer Abstinenz in Sachen "Dreckigmachen" erinnerte ich mich an das Video und testete das dort beschriebene Verfahren, weil mir ein Teil meiner mit Pulverfarben gealterten Güterwagen nicht mehr gefielen. Bei dieser Gelegenheit nahm ich mir auch ein paar Schachtelwagen vor, deren Plastikglanz mich allmählich ärgerte. Ich werde mit einem Güterwagen ex box (aus der Schachtel) beginnen. Wie so einer aussieht muss ich wohl nicht näher besprechen, weil dieser bedauernswerte Zustand jedem geläufig sein sollte. Trotzdem mal ein Bild von so einem Kandidaten.

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Nach dem Zerlegen in seine Bauteile zeigt sich exemplarisch dann in etwa folgendes Bild:

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Das Zerlegen der Wagen zur Bearbeitung hat den Vorteil, dass die Achsen, KKK und Kupplungen nach dieser nicht gereinigt werden müssen. Zudem lassen sich einige Teile im Laufe des Prozederes besser handhaben, sollte etwas auf Anhieb nicht gelingen wollen. Besonders glatte Dächer wollen manchmal nicht sofort mitspielen, weshalb man sie öfter behandeln oder auch einmal komplett reinigen muss. Eine Grundierung mittels Mattlack kann bei glatten Flächen ebenso hilfreich sein wie eine Vorbehandlung mit Puderfarben. Hier mal ein paar Wagen, die nach einer verunglückten Patinierung mit Puderfarben wieder ansehnlich wurden.

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Beim letzten Wagen verunglückte ein Versuch mit Mattlack, der nach dem Trocknen den Plastikglanz noch verstärkte.

Nachdem ich euch mit den Bildern hoffentlich die Angst etwas nehmen konnte, komme ich nun zu den nötigen Utensilien:
- ein Marmeladenglas
- ein Paar Fünffachkondome (Einweghandschuhe)
- Servietten von der Rolle (Küchentücher)
- schwarze Abtönfarbe
- braune Abtönfarbe
- einen Spritzer Spülmittel
- nicht aggressives Universallösungsmittel (Wasser)
- ein Kalt-/Warmluftgebläse (Fön)
- Greifwerkzeug (Pinzette oder Klemmpinzette)
- Küchenspüle

Vorbereitungen:
Abtönfarbe beider Couleur in ein Marmeladenglas geben, einen Spritzer Spülmittel hinzu und mit Wasser auffüllen. Deckel auf das Marmeladenglas draufschrauben, dann gut durchschütteln. Die Bläschenbildung ist unkritisch. Das Mischungsverhältnis der Farben erfolgt nach eigenem Gusto, sollte aber im Bereich von dunklem Umbra bzw. altem Gummi (Referenz ist z.B. der Farbton "Rubber" von Modelmaster) liegen. Der Wasseranteil ist im ersten Moment egal, weil dieser sich sowieso ständig verändern wird, wenn man mehrere Wagen bearbeitet. Ein Nachmischen während der Verarbeitung relativiert das Mischungsverhältnis ohnehin, weshalb hier ziemlich zwanglos herangegangen werden kann.
Als nächstes drappieren wir den Fön in der Nähe der Küchenspüle, weil wir ihn gerade dort benötigen werden. Das Küchenpapier reißen wir in Streifen von 5-6 Blättern ab und legen diese auf die Größe eines Blattes zusammen. Dann suppt die Alterungsbrühe nicht sofort auf die Arbeitsplatte durch, wenn wir die Wagenteile zum Abtropfen ablegen. Zudem spart es eine Menge Zeit und Aufwand, wenn wir Mutti's Küche am Ende wieder sauber verlassen wollen. Aufgrund der Wasserverdünnbarkeit der Lösung lässt sich auch das Spülbecken schnell wieder reinigen, was Dissonanzen mit Mutti auf ein Minimum begrenzt.

Verfahrensweise:
Wir nehmen das Marmeladenglas und schrauben den Deckel ab.

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Tunken dann Wagenkasten, Fahrwerk und Dach hinein.

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Dann abtropfen lassen und trockenpusten. Der Fön wird dabei mal auf kalt, mal auf mäßige Wärme geschaltet. Schließlich sollen sich die Teile nicht verziehen, was bei zu großer Wärmezufuhr zu einem Problem werden könnte.

Bei Bedarf wiederholen wir die Schritte bei den jeweiligen Teilen, an denen uns der gewünschte Grad der Verwitterung noch nicht zusagt.

Der Entwickler dieser Methode (Big Al Mayo von Monsterrailroad) gab ihr den Namen "Weather dippin'.

Lieben Gruß

HF110c
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Re: Mal eine andere Methode zum Güterwagenpatinieren

Beitragvon 99 608 » Fr 9. Okt 2015, 16:12

Moin,
das ist ja wirklich eine sehr haarsträubende Methode! Hätte ich die EIngangsbilder nicht gesehen, hätte ich nicht geglaubt, dass das irgendetwas wird! :fig55:
Sehr interessant. Danke für deinen Bericht!

VG MORITZ
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Wo die Ähren der Felder wiegen leise im Wind
das dampfende Bähnlein durchs Tal eilt geschwind.
Inge Wolf/Amisi
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Re: Mal eine andere Methode zum Güterwagenpatinieren

Beitragvon HF110c » Fr 9. Okt 2015, 18:21

Hallo 99 608,

als ich das Video damals sah, kam mir das auch ziemlich haarsträubend vor. Die darin gezeigten Ergebnisse überzeugten mich dann aber vom Gegenteil. Ich möchte niemanden auf dumme Gedanken bringen, aber wenn man Firefox mit ProxTube verwendet, kann man sich das Video auf Youtube selbst anschauen. :hppy2:

Manuela hat die Resultate anlässlich eines Besuches schon direkt in Augenschein nehmen können und war von ihnen recht angetan.

Lieben Gruß

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Re: Mal eine andere Methode zum Güterwagenpatinieren

Beitragvon Jendris » Do 15. Okt 2015, 09:12

Als "Grundierung" für die Alterung durchaus anwendbar - ich finde nur, dass es da dann doch noch etwas Individualität bedarf.
Wenn man sich so die Wagen anschaut, dann sind immer auch noch zusätzliche Maßnahmen notwendig.
Aber wie gesagt, um den Schachtelglanz zu nehmen, finde ich die Beschreibung absolut brauchbar - danke dafür.
Gruß
Jendris
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Re: Mal eine andere Methode zum Güterwagenpatinieren

Beitragvon oligluck » Sa 17. Okt 2015, 16:14

Moin HF110C,
ich hab's noch nicht so mit Alterung, mir reicht es gerade, wenn ich selber das tue :flucht:

Auf jeden Fall finde ich diese Methode viel versprechend, um den ersten "Gammel" aufzubringen.
Ob die Hersteller das nun "washing" nennen oder "Beize", es läuft auf Dasselbe hinaus.

Nur: wenn man mit einem Wagen anfängt, folgen vermutlich alle anderen zwangsläufig. Das ist der Grund, wieso ich noch hadere :mrgreen:


Viele Grüße,
Oliver (der mit den Wagen in Schachteln, die so herzerfrischend jungfräulich aussehen, noch)


Wir denken selten an das, was wir haben, aber immer an das, was uns fehlt.
(Schopenhauer)
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Re: Mal eine andere Methode zum Güterwagenpatinieren

Beitragvon Grossbahn » Mi 18. Nov 2015, 12:16

Moin,

ich finde diese Methode gut, man soll den "Dreck" so laufen lassen, wie er auch in Natura laufen würde. Besonders die Dächer sehen authentisch aus.

Ich wende ähnliche "haarsträubende" Methoden an. Ich lass die angerührten Dreckbrühen auch immer ungeniert übers Modell laufen, mit Mattlackvorbereitung, Radiergummibearbeitung und anschließender Mattlackversiegerung.

Die "Alterungen" mit Airbrush sehen oft, wenn nicht gekonnt ausgeführt, sehr künstlich aus - habe da schon völlig versaute Modelle gesehen, die im Prinzip nur mit Airbrush und einem anderen Farbton gesprenkelt waren.

Edit: Hier sind einige meiner Alterungserstlingswerke zu sehen - wie gesagt, das sind meine frühen Patinierungsversuche.

http://spurnull.forumprofi.de/fahrzeugb ... -t480.html

http://spurnull.forumprofi.de/fahrzeugb ... -t145.html

Bild

Ganz wichtig - alles ohne Airbrush - nur Pinsel - tauchen - tupfen - klecker - wischen - schmieren - usw.
Gruß von der Ostseeküste

Frank

"Ob das Radio ist, ob das Fernsehen ist, ich mach diese Scheiße gelegentlich nur an, um zu sehen, wie gelogen und manipuliert wird."
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Re: Mal eine andere Methode zum Güterwagenpatinieren

Beitragvon HF110c » So 1. Okt 2023, 14:20

Moin oligluck,
oligluck hat geschrieben:...
Nur: wenn man mit einem Wagen anfängt, folgen vermutlich alle anderen zwangsläufig. Das ist der Grund, wieso ich noch hadere :mrgreen:
...

bei mir, der ja nur Rangierspiele anstelle einer großen Modellbahnanlage betreibt, ist das kein Thema. Ich rekrutiere mir für jedes neue Projekt die geeigneten Kandidaten aus meinen Vitrinen bzw. Vorratsschränken. Sollten ein oder zwei benötigte Güterwagen fehlen, so werden sie eben beschafft. Da meine Fahrzeuge - also auch Loks - entweder als Füllstoff für die Vitrinen dienen oder aber direkt einem Rangierspiel zugeordnet sind, ergibt sich kein Problem. Fahrzeuge, die einem Rangierspiel zugeordnet sind, verlieren ihren Platz in der Vitrine, weil sie in die, zum Rangierspiel zugehörige Fahrzeug/Materialkiste. Ausnahmen mache ich nicht, weil sonst die Gefahr des Vergessens von Fahrzeugen steigt. Also alles in eine Kiste für das jeweilige Rangierspiel und auch beim nächsten Mal muss ich nicht erstmal einen Fahrzeugappell durchführen. Als grundsätzlich fauler Mensch greife ich unmittelbar vor der Veranstaltung einfach nur noch die richtige Kiste, fertig! Bei diesen Fahrzeugen achte ich darauf, dass sie ein wenig Patina abbekamen. Schließlich gehören diese in ein Gesamtkunstwerk und das soll möglichst geglückt herüberkommen.

Was da jetzt an vermeintlichem OT daherkam, war keines, sondern sollte eine Ermunterung einleiten. Ich weiß, dass du lieber Züge fährst als rangierst. Aber mit einem kleinen Anlagenprojekt lässt sich die Anzahl der Fahrzeuge sinnvoll begrenzen, weshalb nur die vorgesehenen Fahrzeuge für das Projekt patiniert werden. Ok, das ein oder andere "universelle" Reservefahrzeug (kann mit wenigen Handgriffen fast unmittelbar eingesetzt werden) sollte man bereits mit einkalkulieren. Hier kommen wir auch an einen weiteren Erfahrungswert beim Betrieb von Rangierspielen:
Die technische Entwicklung geht ständig weiter und die Ansprüche an den Komfort steigen gewaltig. Aber das ist ein völlig anderer Themenkreis, der hier den Rahmen sprengen dürfte...

Lieben Gruß
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